Lebenskunst

Dienstag, Malangebot im Wohnzimmer des Hospizes. Ich habe mich breitschlagen lassen, es ein weiteres Mal zu versuchen. Da sitze ich nun und weiß nicht, was ich malen soll. An der gegenüberliegenden Wand hängt ein eigenwilliges Bild, das mich irgendwie fasziniert. Warum nicht?

Immer mal wieder guckt mir jemand über die Schulter. „Aller Anfang ist schwer,“ kommentiert einer verständnisvoll. Es ist okee, ich will und muss hier jetzt durch. Ich kämpfe mit mir selbst, wollte immer malen können, bis ich es nicht mehr können wollte. Das Leben wird leichter, wenn man den Willen fokussiert auf das was man kann. Dieses Malen hat tatsächlich etwas Therapeutisches.

Als die klaren, komischen – die ganz klar komischen Umrisse geschafft sind, mache ich mich erleichtert an eine Malerei, die mir durchaus liegt: Ich lasse Farben ineinander verlaufen, matsche mit einem Schwämmchen in grellem Pink, tunke einen dicken Pinsel in leuchtendes Blau, ich fülle mein Bild mit meiner Lieblingsfarbe „bunt“ und sehe zu, wie es ein Eigenleben entwickelt. Es macht Spaß. Ich pfeife sogar ein Lied. Die Musik liegt mir einfach mehr.

„Kunst ist was man nicht sieht,“ hat vor einiger Zeit ein von mir geschätzter Künstler sein Handwerk erklärt. Mit diesem Satz betrachte ich neuerdings die ausgehängten Bilder im Hospiz. Jedes einzelne rührt etwas in meinem Inneren an. Auch wenn die Bewohner dieses Ortes nicht mehr viel zu wollen haben: Malen können sie alle.

Ja: Wahre Künstler sind sie für mich.

Weil sie zu sterben wissen.

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