Frau von S. stirbt gerade. Das einzige was ihr dazu noch fehlt ist ihre Reisetasche.
Immer wieder fragt sie danach und sagt, dass sie nach Hause will.
Es gibt nicht mehr viel zu tun. Zu sagen schon gar nicht, also wünsche ich ihr, dass sie gut schlafen möge. Wie sie denn in DER Unruhe schlafen soll, fragt sie und macht in der Tat einen überraschend wachen Eindruck. Mir fällt ein Text aus der Bibel ein, in dem von Frieden die Rede ist, der höher ist als alle menschliche Vernunft und frage, ob sie davon schon einmal etwas gehört habe.
„Davon halte ich nichts,“ gibt sie zurück und schluckt bereitwillig die Pille, die ihr gereicht wird. Sie ist tapfer und stolz und obwohl sie sich schon wieder nach ihrer Reisetasche erkundigt, zu deren Verbleib ich ihr nicht viel Auskunft geben kann, verweile ich gerne noch einen Moment an ihrer Seite.
Ich gehöre nicht zu den Menschen, die glauben, dass alle in den Himmel kommen. Wie auch immer der sein mag. Ein Ort ohne Leid – da gehe ich von aus, das Ende quälender Sehnsucht.
Ich werde Frau von S. dort nicht vermissen. Ich glaube, dass keiner sie dort vermissen wird, weil Vermissen etwas ist, was für mich nicht in den Himmel passt.
Was wissen wir schon? Vom Leben? Vom Sterben? Und von dem was zwischen Himmel und Erde geschieht? Suchend lasse ich sie zurück und freue mich über diese kurze, kraftvolle Begegnung. „Wer sucht der wird finden“, fällt mir noch ein und habe große Hoffnung, dass der Inhalt der Reisetasche, die Frau von S. im Moment noch sucht, zu ihrer vollen Zufriedenheit sein wird.